Kirche

(Kirchenführung Dez. 2002 durch Dechant Michael Kleineidam)

Es ist eine der ältesten Dörfer im Stadtgebiet Brilon. Unsere Pfarrkirche wird 836erstmalig urkundlich erwähnt. Die Menschen lebten in dieser Zeit überwiegend von der Landwirtschaft und vom Bergbau. Unser Dorf Thülen ist seit dieser Zeit immer eine eigenständige Gemeinde gewesen, bis zum Jahr 1975, wo wir nach der neuen Gebietsreform der Stadt Brilon zugeordnet wurden. Zur Zeit leben in unserem Dorf ca. 1100 Menschen. Der größte Teil dieser Mitbürgerinnen und Mitbürger haben als Pendler ihren Arbeitsplatz in Brilon und Umgebung. Thülen hat ein reges Vereinsleben. 11 Vereine kümmern sich in unserem Dorf um Kultur, Sport und Tradition. Alle Bürger haben so die Möglichkeit, ganz nach ihrem Interesse am Vereinsleben teilzunehmen.

Gründung / 1. Kirche in Thülen

...Im Jahr 840 erwarb nun das Kloster Corvey durch eine Schenkung des Grafen Bardo jene Güter, die Grundlage für die Entstehung dieser Kirche wurden.

Am Rande des Bistums Paderborn - Brilon gehörte schon zum  Kölner Bereich - wird wohl um das Jahr 855 im Archidiakonat Haldinghausen (beim heutigen Alme) hier eine erste Kirche entstanden sein. Ein Gotteshaus, vermutlich in Holzbauweise im Bereich des heutigen Mittelschiffs bis zum Chorquadrat. Grabungen für die Heizungsstränge erbrachten zum einen, daß im Bereich des heutigen Altarraumes und der Seitenschiffe sich in dieser Zeit ein Friedhof befunden haben kann, der ja meist direkt an der Kirche anschloß, zum anderen wurden im Mittelschiff vorne rechts alte, möglicherweise in diese Zeit passende Grundmauerreste ergraben, die leider aber nie genau ausgewertet wurden. Trotzdem stellen diese Reste einen sehr guten aussagekräftigen Befund hinsichtlich des Thülener Kirchenstandortes dar. ...

Etappen der Entstehung des heutigen Kirchengebäudes

Das Kirchengebäude, in dem wir uns jetzt befinden, ist eine romanische Kirche, größtenteils aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts.
In einem vielzitierten alten Dokument von 1850 wird der Gesamteindruck folgendermaßen beschrieben: „ Die Kirche zu Thülen ist ein sehr altes Gebäude, gleichzeitig mit dem zu Hüsten und dem Soester Dom. Sie hat ein Hauptschiff mit 2 daran gelegten, viel niedrigeren Seitenschiffen, viereckige unförmlich dicke Pfeiler, sehr kleine Fenster und Kreuzgewölbe.
Kaspar Müller rekonstruiert in seinem Buch 50 Jahre Kapelle Radlinghausen und Sakralbauten im Kirchspiel Thülen die mögliche Entstehung folgendermaßen:
Unter Verwendung von Resten einer kurz nach dem Jahr 1000 gebauten steinernen Saalkirche, die die 2 Quadrate des heutigen Mittelschiffs umfasste, wird zwischen 1150 und 1200 diese zur Pfeilerbasilika ausgebaut:
Anfügen der Seitenschiffe in ungleicher Breite und Länge. In beide Ostwände wird eine halbrunde Apsis einbezogen. Verbinden der Kirchenschiffe durch Jochdurchbrüche in den starken Zwischenwänden unter Aussparung von ungleich breiten Innenpfeilern.
Ansetzen der gestuft wuchtigen Pfeilervorlagen mit Kopfkapitellen zur Verstärkung der dicken Pfeiler und oberen Wände, um den Druck der romanischen Gewölbe ableiten zu können.
Aufstocken des Obergadens in vorgegebenen Mauerstärken mit romanischen Jochfenstern, darüber kantig vorstehende halbkreisförmige Schild- oder Wandbögen und verbindende breite Gurtbögen, die inzwischen oval gedrückt wurden.
Bei der Aufteilung der Ost-Westachse des Langhauses ergaben sich nur zwei gestauchte Jochquadrate (Rechtecke), die, obwohl ungleich groß, in strenger Ordnung das sogenannte „Gebundene System“ formieren.

Dieses Grundrißschema der Romanischen Basilika, bei dem den quadratischen Mittelschiffjochen zwei gleichfalls quadratische Joche in den Seitenschiffen entsprechen, bleibt trotz der wuchtigen, unförmig dicken Rechteckpfeiler deutlich erkennbar, sogar in der Form, daß ein überaus reizvoller Raumeindruck vermittelt wird. 
Als weiteres wird das Chorquadrat mit romanischem Kreuzgewölbe in gleicher Art und Breite des Mittelschiffs angefügt. Gurtbögen stellen die Verbindung her zum Kirchenschiff und zur angefügten halbrunden Ostapsis mit Kuppelgewölbe. An Stelle eines der ursprünglich drei romanischen Apsisfenster weist an der Südostrundung ein außen freigelegtes dreiteiliges gotisches Fenstermaßwerk auf den Versuch hin, den Lichteinfall zum Chor zu verbessern. Wahrscheinlich wird auch damals ein kleinerer Westturm angefügt gewesen sein, der um 1300 erneuert und wuchtig ausgebaut wurde: In der Kirche sehen wir das romanische Kreuzgewölbe, die wuchtigen Mauern reichen weit über den Vorgängerturm hinaus. Seitlich angesetzt wird ein halbrunder Treppenturm, neben dem jetzigen Seiteneingang. Die Wendeltreppe darin führt zur oberen Turmstube, und die schmalen Lichtöffnungen -Sehschlitze - deuten eine frühere Wehrfunktion an. Das Turmdach geht vom Pyramidenansatz der Glockenstube in ein achtseitiges Zeltdach beträchtlicher Höhe über. Es weist weitgehend später erfolgte Verzimmerungen auf. 
Erst um 1900 gibt es weitere, geringfügige Ergänzungen: An der Westseite wird der Turm gesichert durch eine wuchtige Wandvorlage als Massenpfeiler auf der gesamten Turmbreite. Eine Orgelbühne wird im Turmbereich eingezogen. Es wird angefügt im Südosten die frühere Sakristei, die heutige Marienkapelle, darunter der Heizungskeller. Bei der Renovierung 1975 wird die heutige Sakristei im Nordosten angefügt und die Orgelbühne wieder beseitigt.
Diese nur geringen Eingriffe in späterer Zeit zeigen, daß wir uns in Thülen glücklich schätzen können, eines der wenigen  rein romanischen Gebäude dieser Region zu besitzen.

Ausstattung

...Ist das Gebäude, in dem wir uns zur Zeit befinden, aus dem 12. Jahrhundert, so ist die Innenausstattung, die wir hier vorfinden und sehen, doch erheblich jüngeren Datums, über die alte Ausstattung gibt es kaum Hinweise. 
Sehen wir den jetzigen Hochaltar: Er stammt aus dem 18. Jahrhundert, aus der Barockzeit und ist im sogenannten Knorpelstil angefertigt. Dreigeschossig, laut Inschrift 1842 in Thülen aufgestellt, stammt er aus dem Zisterzienserinnenkloster Welwer, Kreis Soest. 
Das Hauptbild zeigt die Kreuzabnahme, ein Ölgemälde zwischen Doppelsäulen. Seitlich in den Muschelnischen die Heiligen Dionysius und Paulus. Auf dem Giebelbild im Achteckrahmen sehen wir Dominikus, der den Rosenkranz empfängt. Der Aufbau ist später zusammengestellt, der Tabernakel 1925 in Oberammergau geschnitzt.

Durch die Liturgiereform des letzten Konzils hat sich das Verständnis von Gottesdienst gewandelt, vor allem das Verhältnis von Priesters zum Gottesvolk und der tätigen Teilnahme aller Gläubigen am gottesdienstlichen Geschehen. 
So ist wie in vielen Kirchen ein neuer Zelebrationsaltar geschaffen worden. Dieser ist immer Mittelpunkt des gottesdienstlichen Geschehens. Als Ort des heiligen Opfers und Tisch für die Mahlgemeinschaft solle er bestehen aus gewachsenem Stein und mit dem Boden verbunden sein. Unser neuer Zelebrationsaltar greift die Schwere und Wucht der Außenmauern und Pfeiler auf, durch seine gelungenen Proportionen prägt er den Altarraum und wirkt selbstverständlich, verwandelt die Schwere.

Die Kanzel, sechsseitig, aus dem 17. Jahrhundert. Auf vier Seiten der Brüstung in Muschelnischen zwischen gewundenen Säulchen die 4 Evangelisten. Die Rippen des gewölbten Kanzelbodens endigen in einem Traubenzapfen. Der Schalldeckel mit dem Erzengel Michael ist späteren Datums. Früher hat die Kanzel an der Nordseite gestanden, am 1. Pfeiler von vorne.

Der jetzige Ambo ist gebildet aus Konsolen für Heiligenfiguren.

Das Taufbecken in der südöstlichen Apsis des Seitenschiffes ist aus Marmor und stammt aus der Mitte des 17. Jahrhunderts. Das quadratische Becken hat einen runden Einsatz und einen Deckel aus Kupfer. Er hat die Form eines romanischen Würfelkapitells, das in der Mitte von einem quadratischen Pfeiler, auf den Ecken von schlanken Säulchen getragen wird.

Weitere Kostbarkeiten dieser Kirche sind:

1 Sonnenmonstranz aus dem 18. Jahrhundert. Mit herzförmigen Gehäuse für das Allerheiligste, umgeben von silbernem Blattwerk, darauf ein Flachrelief mit Gottvater  mit Putten, auf die Strahlen sind genietet kleine gegossene Figuren verschiedener Heiliger, die offenbar von einer viel älteren Monstranz stammen.

1 Kelch, laut Inschrift unter dem Fuß 1657 gestiftet. Silber vergoldet.

Im hinteren Eingang:
2 Weihwasserbecken aus Marmor, das eine in Muschelform auf halben ionischem Kapitell, das andere in Pokalform, achteckig. Jahreszahl 1663

Kirchenpatron und Verbindungen zum Bistum

...Unsere Kirche hat als Patron den Heiligen Dionysius, französisch: San Denis. Er ist Bischof und Märtyrer. Er wurde in der Mitte des 3. Jahrhunderts von Papst Fabian zur Mission nach Paris geschickt. Mit seinen Gefährten erlitt er dort den Tod; 6 Kilometer vor der Stadt wurde er bestattet. Um 624 wurde bei seinem Grab die Abtei  St. Denis gegründet. 
Wie schon erwähnt, ist Thülen Gründung des Kloster Corvey. Dieses stand in enger Beziehung zum Kloster St. Denis, ließ doch Abt Hilduin im Jahre 836 die leiblichen Überreste des Heiligen Vitus von dort nach Corvey überführen und schenkte sie dem jungen Kloster. So liegt es nahe, wenn der Corveyer Abt aus Dankbarkeit eine von  ihm gegründete Kirche dem Heiligen Dionysius weiht. In der Kirche finden wir mehrere Dionysius - Darstellungen, leicht zu erkennen an den bischöflichen Gewändern und vor allem an seinem abgeschlagenen Haupt, welches er vor sich her trägt. Dies soll die Art seines Martyriums andeuten, wonach er geköpft worden ist. Der Legende nach soll der Tote noch mit dem Kopf unter dem Arm bis zur Stelle seiner Aufbahrung weitergegangen sein.

Dionysius ist einer der 14 Nothelfer, er ist Patron der Schützen und wird angerufen bei Kopfweh, Tollwut, Gewissensunruhe und Seelenleiden.

Neben den figürlichen Darstellungen ist die Vita des Heiligen Dionysius dargestellt in den drei Fenstern des südlichen Seitenschiffes, die neueren Datums sind. Sie wurden 1976 vom Künstler Bette entworfen und zeigen die Gefangennahme des Hl. Dionysius, seinen Aufenthalt im Gefängnis und sein Martyrium zusammen mit dem seiner 2 Gefährten.

Dem gegenüber im gleichen Zyklus ist im nördlichen Seitenschiff die Vita des Heiligen Liborius, unseres Bistumspatrons, dargestellt, dessen Gebeine wie die des Heiligen Vitus im gleichen Jahr, 836, aus Frankreich übertragen wurden, von Le Mans nach Paderborn. In den vier Fenstern sind zu sehen: Liborius auf dem Bischofsstuhl in Le Mans, sein Tod, bei dem der Hl. Martin zugegen ist, die Überführung seiner Gebeine nach Paderborn und eine Darstellung unserer Domkirche, geschmückt zum Liborifest.

Die Verbundenheit zum Bistum kommt auch zum Ausdruck durch die Weihe des neuen Zelebrationsaltares 1996 durch den kürzlich verstorbenen Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt, der bei dieser Weihe eine Liborius - Reliquie in den Altar einfügte. 
Eine weitere Verbindung zur Bischofskirche stellt die Pieta am vorderen rechten Pfeiler dar. Sie ist ein Abguß der Pieta der Krypta des Domes, die dort am Eingang zur Bischofsgruft plaziert ist.

 (mit freundlicher Genehmigung von Reinhold Witteler)